Die „dunkle Seite“ der Vorsorgevollmacht

Nach unserer Rechtsordnung sind weder Ehegatten, noch Kinder umfassend bevollmächtigt, im Falle der Verhinderung die Belange des Ehepartners bzw. der Eltern oder umgekehrt die Eltern die Belange der volljährigen Kinder wahrzunehmen.

§ 1896 Abs. 1 BGB regelt, dass von Amts wegen oder auf Antrag vom Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt wird, wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr allein besorgen kann.

Nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB ist eine Betreuung nach Abs. 1 nicht erforderlich, wenn ein Bevollmächtigter rechtzeitig von der betreuungsbedürftigen Person bestellt worden ist.

Dies geschieht in der Praxis durch eine sogenannte Vorsorgevollmacht.

Diese Vollmacht umfasst regelmäßig einerseits die Wahrnehmung der persönlichen Angelegenheiten, andererseits die Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten.

Im letzteren Falle spricht man auch von einer sogenannten Generalvollmacht.

Gehören zum Vermögen des Vollmachtgebers Grundstücke oder Gesellschaftsanteile und soll der Vertreter auch insoweit bevollmächtigt sein, ist regelmäßig notarielle Beurkundung der Vollmacht erforderlich.

Die Vollmacht berechtigt im Außenverhältnis gem. der Bevollmächtigung zu handeln (rechtliches Können).
Ob gegenüber dem Bevollmächtigten auch so gehandelt werden darf (rechtliches Dürfen) regelt das Innenverhältnis.

Eine Vorsorgevollmacht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten berechtigt und verpflichtet dazu, die finanziellen Dinge des Vollmachtgebers wahrzunehmen, also sein Vermögen zu verwalten und zu betreuen.

Soweit in der Vorsorgevollmacht keine ausdrücklich anderslautenden Regelungen getroffen worden sind, kommt für das Innenverhältnis regelmäßig das Auftragsrecht nach §§ 662 ff. BGB zur Anwendung.

Hervorzuheben ist insoweit die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht des Bevollmächtigten nach § 666 BGB und die Herausgabepflicht nach § 667 BGB.

Die Risiken, die sich für den Bevollmächtigten ergeben können, seien an folgendem Fall, wie er häufig in der Praxis vorkommt, verdeutlicht:

Der betagte Onkel, verwitwet  und kinderlos, ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses.
Eine Wohnung bewohnt er selbst.
Die weiteren Wohnungen sind vermietet.

Er erteilt seinem Neffen umfassende Vorsorgevollmacht in persönlichen und rechtsgeschäftlichen Angelegenheiten.

Aufgrund einer schweren Erkrankung ist er nicht mehr in der Lage, seine Angelegenheiten selbst wahrzunehmen.
Er kommt in ein Pflegeheim. Seine Rente reicht nicht aus, die monatlichen Kosten zu tragen.
Das Mehrfamilienhaus, das von seinem Neffen verwaltet wird, wird veräußert.
Der Kaufpreis wird auf sein laufendes Konto eingezahlt, über das der Neffe für ihn verfügt.
Wegen der Bemühungen des Neffen anlässlich des Verkaufs des Mehrfamilienhauses schenkt er ihm 20.000,00 €.

Der Neffe hebt regelmäßig monatlich Geldbeträge von dem lfd. Konto ab.

Nach einiger Zeit ist das Guthaben auf dem Konto verbraucht. Die monatlichen Heimkosten können nicht mehr bezahlt werden.
Es entstehen Rückstände.
Eine Betreuung wird beantragt.
Der vom Betreuungsgericht eingesetzte Rechtsanwalt als Betreuer nimmt den Neffen auf Auskunft und Rechenschaft bezüglich der Verfügungen über das Konto des Betreuten in Anspruch und fordert im Übrigen wegen Verarmung des Betreuten die geschenkten 20.000,00 € zurück.

Der Neffe ist nicht mehr im Besitz der Kontoauszüge.
Aufzeichnungen hat er nicht gemacht.

Schriftliche Vereinbarungen zwischen ihm und seinem Onkel bezüglich der Vermögensverwaltung gibt es nicht.

Letztendlich wird der Neffe verurteilt bezüglich der von ihm getätigten Verfügungen über das Konto Schadensersatz zu leisten und die geschenkten 20.000,00 € herauszugeben.

1.
Die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht bestimmt sich nach § 666 in Verbindung mit § 259, 261 BGB.

Danach muss der Bevollmächtigte über die Einnahmen oder Ausgaben dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitteilen und Belege vorlegen (§ 259 Abs. 1 BGB).

Regelmäßig werden in der Praxis von nicht kaufmännisch geschulten Personen Belege nicht aufgehoben bzw. ordnungsgemäß in Form von Konten abgeheftet.

Entsprechend konnte in dem Beispielsfall der Bevollmächtigte nicht umfassend Auskunft- und Rechenschaft über seine Verfügungen erteilen.

Dies ging zu seinen Lasten.

Er wurde zu Schadensersatz verurteilt.

2.
Soweit die Schenkung von 20.000,00 € betroffen ist, ist von einer sogenannten „belohnenden“ Schenkung auszugehen.

Der Beschenkte hat zunächst unentgeltlich das Mehrfamilienhaus verwaltet. Erst nach dem Verkauf ist im Nachhinein die vorerwähnte Zuwendung getätigt worden.

Gem. § 528 BGB kann diese Schenkung widerrufen werden, wenn der Schenker verarmt ist.

Es heißt insoweit in Abs. 1:

Soweit der Schenker nach Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm, seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er von dem Beschenkten Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.

Entsprechend wurde der Neffe zur Rückzahlung der 20.000,00 € verurteilt.

Vorstehendes Beispiel verdeutlicht, welche rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken sich für den Bevollmächtigten aus einer sogenannten Vorsorgevollmacht ergeben können.

Es empfiehlt sich daher, in der Vorsorgevollmacht oder in einer separaten Urkunde das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem zu regeln, um das Haftungsrisiko des Bevollmächtigten zu begrenzen.

In der notariellen Vorsorgevollmacht kann beispielsweise die Rechenschaftspflicht des Vorsorgebevollmächtigten durch entsprechende Erklärungen begrenzt werden (siehe dazu: Volmer, die Rechenschaftspflicht des Vorsorgebevollmächtigten, MittBayNot. 5/2016, S. 386 ff.).

Desweiteren kann beispielsweise geregelt werden, welches Entgelt dem Bevollmächtigten für seine Leistungen zusteht.

Von belohnenden Schenkungen ist regelmäßig Abstand zu nehmen, wenn Verarmung des Schenkers droht.

Der Bevollmächtigte selbst muss selbst einschätzen, ob er Willens und in der Lage ist, zwischen dem fremden Vermögen des Vollmachtgebers und seinen Vermögensinteressen zu trennen.

Es ist dringendst davor zu warnen, über das Vermögen des Bevollmächtigten wie über eigenes Vermögen zu verfügen.

Insoweit können sich auch strafrechtliche Konsequenzen ergeben.

Personen, die in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen leben, sollten grundsätzlich nicht als Vorsorgebevollmächtigte in Vermögensangelegenheiten bestellt werden.

Bei großem Vermögen ist zu überlegen, ob neben dem Vorsorgebevollmächtigten ein Betreuer bestellt wird, der den Vorsorgebevollmächtigten überwacht.